FKK, die "freche kleine Kneipensitzung" in der Kölner Kultkneipe Heimathirsch
mit Heinz Gröning und Sören Leyers.
Es ist schon eine einigermaßen irrwitzige Idee, mit der Heinz Gröning und Sören Leyers da antreten: Beide haben sie Erfahrung im traditionellen Karneval und daraus den Gedanken gesponnen, in der Nippeser Kneipe „Heimathirsch“ (wie auch in Aachen, Rothe Erde und im Mainzer unterhaus) eine eigene Karnevalssitzung zu veranstalten, mit allem, was so dazu gehört: Redner, Bands, Satire, Lieder – nur eben allein zu zweit. Die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten haben sie allemal; einzig als Tanzcorps sind sie bislang nicht aufgetreten, aber auch das drohen sie an.
Da eine echte Sitzung auch Elferrat, Präsident und Raketenbeauftragten braucht, werden kurzerhand Freiwillige aus dem Publikum bestimmt und per Kopfbedeckung und Warnweste als Amtsträger kenntlich gemacht. Fehlt noch ein Tanz-Mariechen, aber zum Glück kann Heimathirsch-Gastgeber Morten Sommer im wahrsten Sinne des Wortes einspringen und als "Tanz-Jupp" gleich zu Beginn eine erste bühnenreife Performance hinlegen. Und dann fährt er los, der Sitzungszug.
Heinz Gröning, Tausendsassa der Comedy-, Karnevals- und Kleinkunstszene, gibt die narzisstische Rampensau mit entgrenzter Spielfreude, Sören Leyers den griesgrämig unwilligen Widerpart, der, wie er sagt, eigentlich nichts anderes will, als "zu den Tagesthemen wieder zuhause zu sein". In Düsseldorf!
Wer meint, dass die komödiantische Mechanik einer solchen Charakterpaarung doch inzwischen ausgereizt sei, hat noch nicht erlebt, wie Leyers und Gröning sie bis an die Schmerzgrenze und noch einmal deutlich darüber hinaus treiben. Das Ergebnis? Man lacht sich kaputt.
Tragende Säule des Programms ist zum einen der als roter Faden gewirkte Jahresrückblick
inklusive Nekrolog auf Tina Turner, Tony Marshall und andere Persönlichkeiten, die im letzten Jahr von uns gegangen – bzw. im Fall Wolfgang Schäuble – gerollt sind.
Als ganze Reihe von Highlights erscheinen die virtuos gespielten Musik-Nummern. Sogar der Jugendherbergs-Heuler „wir haben Hunger“ lässt das Publikum jubeln, durchdekliniert in verschiedene Genres von Klassik über Samba und Rammstein bis hin zur Reggae-Version, die gänzlich ohne Text auskommt, und nur schwerstbekifft grinsend dargeboten wird.
Und nicht nur im Duo, auch als Solisten sind beide Akteure stark. Gröning beispielsweise in einer Harlekin-Figur, in der er ganz zurückgenommen agiert und die Komik aus tieftrauriger Verzweiflung entstehen lässt: Freudig hatte er der Anregung seiner Frau zugestimmt, sich an gemeinsamen Doktor-Spielen zu delektieren, muss dann jedoch festzustellen, dass die darin bestehen, dass er drei Stunden im Flur sitzt und wartet.
Sören Leyers, ein „MGoD – ein Musikalisches Genie ohne Duschgelegenheit“ brilliert an Kontrabass, Violine, Gitarre und Ukulele ebenso wie am Klavier. Er parodiert die linksalternative Ikone „Klaus der Geiger“ mit Zottelbart, Latzhose und "Atomkraft?-Nein-Danke!"-T-Shirt, und er nimmt sich das Publikum als „Bad Cop“ zur Brust, der die Anwesenden Bekenntnis ablegen lässt: Entweder „ich bin ´ne Niete, ich wohn‘ zur Miete“ – oder eben „ich bin gemein, ich bin ein Eigenheim-Schwein.“
Es ist der Mut zum Unfertigen, zum erkennbar Improvisierten, der den Abend besonders macht. Ein Ritt auf der Rasierklinge, bei dem das Risiko, dass eine Volte mal nicht zündet, in Kauf genommen wird, bei dem Spannung und Energie dafür aber auf durchgängig hohem Niveau bleiben.
Das Publikum spielt immer wieder gerne und bereitwillig mit und kann am Ende sogar in ein wahrhaftiges Glaubensbekenntnis einstimmen, nämlich dieses: „Ich glaube an die Macht der Lachkraft, weil sie der Gemeinschaft Halt und Kraft schafft, wie sonst nur Drei-Wetter-Taft.“
Kurzum: Die freche kleine Kneipensitzung ist ein großes Vergnügen. Gerade auch, weil sie – nun schon in der dritten Session! – dem Karneval das zurückgibt, was der etablierte Betrieb der großen Sitzungen so oft vermissen lässt: Den unmittelbaren Spaß am anarchischen Geschehen, das Nebeneinander echter Gefühle. Richtig schön besinnlich klingt der Abend aus mit dem Bekenntnis zum Veedel Nippes, das auch dem auswärts Geborenen Heimat geworden ist: „Ich hab mein Herz an Nippes verloren“. Und dann geht’s weiter mit einer zünftigen Tanzparty. Genau so muss er sein, der Karneval: Laache, kriesche, danze…
Wenn es überhaupt einen Wermutstropfen gegeben hat, dann den: Wer bei der Premiere am 16. Januar dabei war, hat vermutlich die Teilnahme an der Kölner Demo gegen die AfD-Umtriebe versäumt. Aber eine Demonstration für Toleranz, Weltoffenheit und vorurteilsfrei menschliches Miteinander war die freche kleine Kneipensitzung eben auch.
Beginn 19:30 Uhr. Kostüm erwünscht!
Für die Termine im Kölner Heimathirsch gibt es noch Restkarten. Wer keine mehr erwischt oder sich auf die Show einstimmen möchte, kann hier schon mal in einige der Lieder reinhören: FKK auf Spotify.
Weitere Termine im Heimathirsch Köln: Di, 23.01., Mi, 24.01., Di, 30.01., Mi, 31.01., Do, 01.02.
Außerdem:
So, 28.01.
Fr, 19.01.,
Fr, 02.02.
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